„Gefallen wollen…“

Sich selbst in Form eines Fotos zu präsentieren ist mittlerweile für die meisten von uns ein sehr selbstverständlicher Ausdruck von uns. Ich musste mich vor allem im Zuge meiner neuen Homepage damit auseinandersetzen. In erster Linie möchte man andere Menschen ansprechen und erreichen, aber weitergehend möchte man natürlich auch anderen Menschen gefallen. Jeder kennt sich selbst optisch am besten. Ich sage jetzt bewusst optisch, weil vermutlich noch niemand sein Innerstes gänzlich kennengelernt hat. Aber zumindest optisch wissen wir, womit wir es zu tun haben. Wir wissen wie wir aussehen und wir kennen jeden einzelnen Makel an uns – und wir haben sehr konkrete Gedanken dazu. Vielleicht sehen wir diese Makel ganz gelassen, vielleicht wollen wir sie verstecken oder verdrängen oder vielleicht versuchen wir sie zu verändern oder davon abzulenken. Ein Foto bietet natürlich eine wundervolle Möglichkeit jeden erdenklichen Makel zu kaschieren oder zu verstecken und somit nur die vermeintlich „schönen“ Aspekte von uns hervorzuheben. Ist es nicht okay das zu tun? Immerhin fokussieren wir uns auf das Positive…

Der Trend von vielen Prominenten nur unretouchierte Bilder zu verwenden oder sich nur mehr ungeschminkt abblitzen zu lassen boomt. Vor allem Bewegungen wie „Body Positivity“ oder der „Fat Acceptance Movement“ wollen uns dazu bewegen, zu uns selbst zu stehen und zu akzeptieren. Wir können unrealistische und diskriminierende Schönheitsideale ablegen und dazu stehen, wie wir wirklich sind. Aber selbst ohne Filter und ohne Bearbeitung ist es uns nicht egal welches Foto von uns gepostet wird. Ich stehe am Großglockner und lass mich fotografieren um danach in meiner Familien-WhatsApp-Gruppe ein Foto von mir zu teilen. Warum ist es mir nicht egal welches von den fünf ich nehme? Warum suche ich genau dieses aus auf welchem ich (meiner Meinung nach) am besten aussehe? Ist es wichtiger eines auszuwählen auf dem die Landschaft am besten rüberkommt? Oder wähle ich eines aus an dem man mich am besten sieht? Will ich mit meiner Familie einen wunderschönen Moment den ich gerade erfahre teilen oder will ich zeigen wie toll ich am größten Berg Österreichs aussehe? Warum schicken wir so wenige Landschaftsfotos und immer mehr Selfies? Geht es darum einen Eindruck zu teilen oder darum unser Aussehen in gewissen Situationen zu teilen?

Ich persönlich komme nicht herum, mich mit dem Thema „gefallen wollen“ auseinanderzusetzen. Und ja, ich will gefallen. Nur warum? Denn gleichzeitig will ich eben nicht gefallen, sondern akzeptiert und geliebt werden, genauso wie ich bin. Es löst in einem ein gutes Gefühl aus zu wissen dem Anderen zu gefallen. Es stärkt unseren Selbstwert von Außen. Vielleicht kennt ihr folgendes Verhalten: man trifft eine Freundin oder einen Freund und bekommt ein Kompliment für sein Hemd, die Frisur, die Nagellackfarbe oder eine Hose. Trifft man denjenigen/diejenige wieder, ist man verleitet dazu dasselbe Hemd/Hose/Frisur, etc. wieder zu tragen. Wenn ich mit meiner Lebensgefährtin/meinem Lebensgefährten essen gehe, trage ich ihr Lieblingshemd oder sein Lieblingskleid, auch wenn mich das Teil nicht so sehr überzeugt. Aber warum tun wir das? Warum rückt der eigene Wohlfühlfaktor in den Hintergrund, wenn wir dafür jemand Anderem besonders gut gefallen? Warum gibt es Situationen in denen wir lieber jemand Anderem gefallen als uns selbst? Und vor allem, wo liegt eure persönliche Grenze? Ist es bei der besten Freundin egal, wie ich aussehe? Kann ich meine engsten Verwandten ungeschminkt und im Jogginganzug empfangen und möchte aber unbekannten Menschen niemals so im Supermarkt begegnen? Oder ist es genau umgekehrt?

Wir können das Thema von optischen Aspekten auch auf unser Verhalten ausdehnen. Kann ich nur im Umkreis meiner besten Freunde schwarzen Humor, Ironie und Sarkasmus an den Tag legen und passe mich bei meinem Chef an sein Verhalten an, um zu gefallen? Kann ich meine Meinung nur bei Menschen teilen die diese auch teilen oder kann ich mich auch äußern in dem Wissen, dass ich auf Widerstand stoßen werde? Verhalte ich mich in unterschiedlichen Freundeskreisen unterschiedlich, und wenn ja, warum?

Désirée Böhm